Für unsere Reise nach Sizilien haben wir uns einen Mietwagen organisiert. Wir bekamen einen Peugeot 2008, so eine Art Kreuzung aus SUV und Golfklasse. Obwohl man per Bus oder Bahn auch recht gut über die Insel kommt und die großen Städte einigermaßen vernünftig miteinander verbunden sind – mit einem eigenen Auto ist man am Ende doch flexibler.
Worauf ich aber beim besten Willen nicht vorbereitet war, ist die italienische Autofahrermentalität.
Bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 20 km/h werde ich mit über 90 überholt.
Für mich war der Ausflug in Sizilien der erste richtige Italienurlaub. Zuvor bin ich nur einmal in Südtirol gewesen, wo alle noch recht ‚deutsch‘ fahren. Ansonsten hört und liest man immer nur von Horrorgeschichten des mediterranen Individualverkehrs. Von allgegenwärtigen Motorrollern die zwischen den PKWs umherschwirren, wie Bienen in einem Blumenbeet. Von Verkehrsteilnehmern (Auto-, Rollerfahrer und Fußgänger) die urplötzlich vor einem anhalten, um sich lautstark mit einem alten Bekannten oder dem nächsten Gemüsehändler zu unterhalten. Von maroder Infrastruktur, Schlaglöchern auf Autobahnen und unsinnigen Verkehrsschildern. Die Wahrheit ist: Genau so!
Ab auf die Straße
Unseren ersten Vorgeschmack auf den italienischen Schilderwahn erhielten wir nach wenigen gefahrenen Metern, nachdem wir den Parkplatz der Autovermietung und den Flughafen Catanias hinter uns gelassen hatten. Ein Hinweisschild kündigte eine Baustelle an. Auf den Stradi Statale, also dem Äquivalent zu deutschen Bundesstraßen, gilt normalerweise eine Höchtgeschwindigkeit von 90 km/h. Also vermutete ich, dass im Baustellenbereich auf 70 oder 60 km/h heruntergeregelt wird. Die schwarze 30 im roten Kreis belehrte mich jedoch eines Besseren. Als ich dann aber auch noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 20 (!) km/h sah, ohne Fahrbahnverengung, kein Baustellenpersonal weit und breit und die anderen Verkehrsteilnehmer mich mit 90 km/h und mehr überholten, konnte ich mir im Ansatz vorstellen worauf ich mich eingelassen hatte.
In der Stadt …
Weitere absurde Episoden spielten sich dann im Stadtverkehr ab. Unabhängig von Straßenbreite und vorhandender (oder nicht vorhandener) Straßenmarkierungen nutzen Italiener die gesamte Fahrbahn aus. Aus vermeintlich zwei Spuren werden dann schon einmal gern drei oder gar vier. Zusätzlich erscheinen Rollerfahrer praktisch aus dem Nichts, sodass man Angst um seine Seitenspiegel haben muss. In schmalen Gassen laufen Fußgänger mit einer Engelsgeduld auf der Straße, um das Vorankommen noch mehr zu erschweren. Auch interessant: Laut italienischer Verkehrssprechung haben in den Kreisverkehr einfahrende Autos Vorrang. Das führt aber unweigerlich zur Verstopfung des sonst so praktischen Kreuzungsersatzes. Äußerst heikel wird es in zweispurigen Kreisverkehren, wenn besonders gelassene Fahrer unvermittelt aus dem Inneren ausscheren, nur um den Rest des Verkehrsflusses im Kreisel erneut zum Erliegen zu bringen.
… und auf dem Land
Auf den Autobahnen und vor allem auf den Landstraßen im Inselinneren, wohin sich eher wenige Touristen verirren, geht es dann einigermaßen entspannt zu. Dort sind einfach nicht so viele Verkehrsteilnehmer unterwegs. Die Entspannung kann aber trotzdem ganz schnell in Anspannung umschlagen. So z.B. wenn es auf den zumeinst zweispurigen Autostrade wegen einer Baustelle einspurig wird, die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wird – und man als Erstes in diesen Baustellenbereich einfährt. Dann bekommen die hinter einem fahrenden Insulaner ganz schnell einen nervösen Fuß auf dem Gaspedal und eine lockere Hand auf der Hupe.
Victory – at last!
Mein ganz persönliches Erfolgserlebnis, das ich mit einem imaginären ‚Achievement unlocked‘ vor dem geistigen Auge gesehen habe, war die Rückgabe unserers Mietwagens. Schadensfreiheit nach einer Woche Sizilien. Darauf kann man durchaus stolz sein.
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